Energiewende im Regulierungssumpf
Dass die Energiewende nicht richtig in Fahrt kommt, liegt weniger an der Erzeugung sondern vielmehr an der Verteilung von Energie, sagt Armin Sandhövel. Im Interview erklärt der CEO der Allianz Climate Solutions GmbH warum sich Investoren bisher schwer tun, in den Ausbau der Infrastruktur zu investieren.
Ohne Stromleitungen keine Energiewende. Wie kann die Allianz bei dem Ausbau der Infrastruktur helfen?
Armin Sandhövel: In erster Linie kümmert sich die Allianz um ihre Kunden. Sie hat den Auftrag, ihre Produkte so auf dem Markt anzubieten, dass sie wettbewerbsfähig sind und Rendite erwirtschaften. Hierin einen öffentlichen Auftrag zu sehen, führt zu weit. Dennoch können wir durch unsere Expertise im Bereich Versicherung und Investment einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten.
Von Versicherungsseite her begleiten wir die Themen erneuerbare Energien und Infrastruktur nicht erst seit die Politik die Energiewende ausgerufen hat. Seit Jahren versichern Allianz-Einheiten überall auf der Welt erneuerbare Energien und fördern damit die Entwicklung neuer Technologien. Gleichzeitig wächst der Erfahrungsschatz. Das Know-how zum Beispiel von Allianz Global Corporate Specialty und der Allianz Deutschland AG im Offshore-Bereich kann Energieerzeugern und der Politik helfen, Risiken zu reduzieren.
Allianz Vorstand Clem Booth hat in diesem Zusammenhang neulich von einer Risikopartnerschaft gesprochen, die sicherlich notwendig wird, wenn man im größeren Stil versichern will.
Was ist mit Risikopartnerschaft gemeint?
Eine Risikopartnerschaft bedeutet, dass vor allem im Anfangsstadium eines Projekts bestimmte Garantien von staatlicher Seite gegeben sein sollten, damit im zweiten Schritt die Finanzindustrie investieren kann. Kurz, es geht um die Verteilung der Risiken, die beispielsweise für Energieerzeuger entstehen, wenn sich der Ausbau der Netzanschlüsse für Offshore-Windparks verzögert.
Wenn der Druck auf den Ausbau des Netzes so hoch ist, warum verhalten sich Finanzinvestoren dann bisher so zögerlich, in die Infrastruktur zu investieren?
Diese Unsicherheit hat hauptsächlich mit einer EU-Regel zu tun, nach der man nicht gleichzeitig in Stromerzeugungsanlagen und die Netz-Infrastruktur investieren darf. Die Regel folgt dem Prinzip des „Unbundling“, also der Trennung verschiedener Geschäftsfelder eines Unternehmens.
Doch was einst der Monopolbildung unter den Energieversorgern einen Riegel vorschieben sollte, behindert heute im Kontext der Energiewende auch die Finanzinvestoren und damit einen rascheren Ausbau der Strukturen. So kommt es, dass die Allianz einerseits ein sehr gutes Portfolio an eigenen Erzeugungsanlagen, vornehmlich Wind- und Solarparks, hat, andererseits aber durch ein sehr unspezifisch formuliertes Gesetz daran gehindert wird, in die Netz-Infrastruktur zu investieren.
Sie fordern also mehr Rechtssicherheit?
Richtig. Denn ohne ein größeres Engagement der Finanzindustrie fällt es schwer, sich vorzustellen, wer angesichts klammer Kassen bei Ländern und Kommunen die massive Um- und Neustrukturierung des Energienetzes stemmen soll. Selbst die Banken ziehen sich gerade massive aus vielen Geschäftsfeldern zurück.
Gibt es schon eine Lösung für dieses Problem?
Alle Beteiligten haben erkannt, dass sich die Energiewende nicht von selbst vollzieht. Wir müssen enger zusammenarbeiten. Das wissen auch die Aufsichtsbehörden. Denn eine konsistente Strategie ergibt sich erst, wenn die Regeln der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) und die Regeln der Netzagenturen den neuen Umständen angepasst und aufeinander abgestimmt werden.
Die aufkommende Versicherungsregulierung Solvency II könnte dazu führen, dass Infrastrukturinvestments für Versicherer unattraktiver werden. Was ursprünglich als Instrument gedacht war, Risiken zu mindern, trübt gleichzeitig die Aussicht auf langfristige Investments. Und die sind für eine erfolgreiche Energiewende eben notwendig.
Angenommen die regulatorischen Hürden wären beseitigt, mit welcher Investment-Strategie würde sich die Allianz an der Energiewende beteiligen?
Wenn die regulatorischen Fragen wie das Thema „Unbundling“ geklärt wären, spräche überhaupt nichts dagegen, in Energienetze und Speicher zu investieren und gleichzeitig das Erzeugungsportfolio weiter auszubauen.
Ein gerade viel beachtetes und hochinteressantes Feld sind außerdem erneuerbare Energien-Fonds. Demnächst will die Allianz geschlossene Investmentfonds mit Schwerpunkt erneuerbare Energien auflegen. Das Angebot soll sich an institutionelle Anleger richten, die kein eigenes Portfolio mit fünf oder sechs Investments aufbauen wollen, sondern stattdessen lieber gemeinsam mit anderen Investoren über einen Fonds in ein diversifiziertes Portfolio investieren möchten, um von der Expertise der Investment-Experten von Allianz Global Investors und Allianz Climate Solutions zu profitieren.
Angesichts der Verflechtungen auf EU-Ebene stellt sich die Frage, ob eine nationale Energiewende überhaupt möglich ist?
Die Frage kann man noch radikaler stellen: Wie sinnvoll ist eine rein nationale Energiewende, wenn gerade auch vordem Hintergrund der Euro-Krise eine stärkere gesellschaftliche und politische Integration in die EU diskutiert wird?
Die Energiewirtschaft ist die Basis für die europäische Wirtschaft. Wir müssen also auch im Bereich der Energie auf EU-Ebene eine viel stärkere Vernetzung hinkriegen.
Es ist ja nicht so, dass wir zu wenig Energie in Europa haben. Es geht hier mehr um die Frage der Verteilung als um die Erzeugung. Das bedeutet auch einen Import von Strom aus den Nachbarländern, um die Versorgungssicherheit zum Beispiel an strengen Wintertagen zu gewährleisten. Denn ohne diese Sicherheit würde die Unterstützung für die Energiewende rasch abnehmen.
Schafft Deutschland die Energiewende?
Ich bin sicher, dass wir das schaffen können. Deutschland verfügt nicht nur über die Technologien und erstklassig ausgebildete Ingenieure, sondern auch über dienötigen Projektmanager. Insgesamt sind wir ziemlich gut organisiert.
Über den Zeitrahmen dagegen bin ich mir unsicher. Aber ich glaube, es ist auch gar nicht so wichtig, ob wir die Wende bis 2020 oder 2025 schaffen. Wichtig ist, dass wir jetzt die Weichen stellen. Dazu gehört auch, sich von der Illusion zu lösen, das Ganze gäbe es zum Nulltarif. Der massive Umbau der Energiewirtschaft bedeutet eine komplette Transformation der Industriegesellschaft.
Letztlich werden sich die Mühen aber lohnen. Zum Beispiel für den Verbraucher, wenn der in der Lage sein wird, ganz ohne Subventionen seinen erzeugten Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen in das Netz einzuspeisen. Es müssen nur die Anreize stimmen. Gerade der Solarbereich bietet sich dafür an. Eine Solaranlage kann sich jeder aufs Dach schrauben. Es wird Schäden geben, Reparaturen fallen an. Das ist auch gut für das Handwerk.
Insofern bedeutet die Energiewende mit ihrer dezentralen Strategie der Stromerzeugung auch eine Beschäftigungsinitiative für die nächsten Jahrzehnte.
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