Bundesfinanzminister Schäuble begrüßt Vorschlag der Europäischen Kommission für EU-Bankenaufsicht – mahnt aber Realismus bei Umsetzung an

Kernelement des heute vorgelegten Vorschlags der Europäischen Kommission ist die Übertragung der Aufsicht über die Banken der Eurozone an die Europäische Zentralbank (EZB). Die neue Aufsicht soll offen sein für Nicht-Euromitglieder. Dabei soll die EZB für die wesentlichen Entscheidungen im Bereich der Bankenaufsicht zuständig sein, die übrigen Aufgaben verbleiben bei den nationalen Behörden.

Bei der EZB soll ein „Supervisory Board“ errichtet werden, der aus Vertretern der EZB und der nationalen Aufsichtsbehörden besteht. Die EZB soll im Hinblick auf die Bankenaufsicht gegenüber EP und Rat rechenschaftspflichtig sein. Bis Mitte 2013 sollen nach den Plänen der Europäischen Kommission die größten systemrelevanten Banken der Eurozone unter die Aufsicht der EZB gestellt werden; Banken, die staatliche Unterstützung erhalten, bereits zu einem früheren Zeitpunkt. Ab 2014 soll die EZB alle rund 6000 Institute der Eurozone überwachen.

Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble: „Ich halte den heutigen Vorschlag der Europäischen Kommission für eine gute Grundlage zum Aufbau der neuen Europäischen Bankenaufsicht. Wir wollen schnell eine starke, eine effiziente und eine funktionierende EU-Bankenaufsicht. Nur so werden wir den Realitäten des EU-Finanzbinnenmarkts gerecht. Es war vor allem Deutschland, das aktuell auf eine starke europäische Aufsicht gedrängt hat. Davon wird vor allem die Eurozone profitieren, denn eine einheitliche Aufsicht wird ein wichtiger Baustein bei der Stärkung des Vertrauens der Marktteilnehmer sein.

Bei der Errichtung des Aufsichtsmechanismus muss es eine spürbare Verbesserung von Regulierungen und Aufsicht geben. Qualität muss in jedem Fall vor Schnelligkeit gehen. Zudem ist die richtige Schrittfolge wichtig: Zunächst werden die rechtlichen Grundlagen geschaffen, dann wird eine funktionsfähige Aufsicht errichtet werden können, die auch mit der bestehenden Bankenbehörde EBA gut zusammenarbeitet.

Alle diese Schritte, auch die Rechenschaften gegenüber demokratisch legitimierten Gremien, verlangen eine gründliche Vorbereitung; Fehler können wir uns nicht leisten. Wir sollten uns deshalb davor hüten, beim Zeitplan Erwartungen zu wecken, die wir letztlich nicht einhalten können. Nur so können wir das notwendige Vertrauen wieder zurückgewinnen, das die Bürger, die Finanzmärkte und alle anderen Beteiligten dringend benötigen.“

Bei den jetzt folgenden Beratungen des Vorschlags der EU-Kommission müssen aus Sicht der Bundesregierung folgende Aspekte besondere Berücksichtigung finden:

  • Im Vordergrund muss die Qualität und Effektivität der neuen Aufsicht stehen. Dabei ist schon aus Praktikabilitätsgründen nicht vorstellbar, dass die EZB kurzfristig 6.000 Banken angemessen überwachen kann. Vielmehr sollte die Aufsicht der EZB sich zunächst auf systemrelevante Banken konzentrieren und Banken erfassen, von denen systemische Risiken ausgehen bzw. die staatliche Stützung erhalten. Nicht systemrelevante Banken sollten grundsätzlich weiterhin von den nationalen Aufsichtsbehörden beaufsichtigt werden.
  • Wir unterstützen einen ehrgeizigen Zeitplan bei Entwicklung und Umsetzung der Aufsicht, der jedoch auch realistisch sein muss. Europa sollte keine Erwartungen wecken, die es nicht erfüllen kann. Zunächst müssen die rechtlichen Regelungen und auch das sogenannte „Single rule book“ verabschiedet werden und in Kraft treten und die Aufsicht muss operativ einsatzbereit sein.
  • Mit Blick auf die Rolle, Bedeutung und Unabhängigkeit der EZB in der Geldpolitik müssen Bankenaufsicht und Geldpolitik getrennt werden. Daraus folgt: Für die Bankenaufsicht ist neben dem EZB-Rat ein eigenes Gremium erforderlich, das in Fragen der Bankenaufsicht die Letztentscheidungskompetenz hat. Die Entscheidungsstrukturen dieses Gremiums sollten die Größe der betroffenen Märkte widerspiegeln.
  • Auch gilt es, weitere wichtige Fragen zu klären, wie beispielsweise die Frage des Verhältnisses und der Zusammenarbeit zwischen der bestehenden europäischen Bankenaufsicht EBA in London und der neuen Bankenaufsicht EZB. Beide werden eine wichtige Rolle haben, EBA in Regulierungs- und EZB in Aufsichtsfragen. Eine Lösung, bei der z.B. die EBA letztlich Entscheidungen der EZB korrigieren oder aufheben könnte, wäre dabei aber nicht zielführend.
  • Weiter müssen die Verhandlungen zu den europäischen Vorschlägen zur Harmonisierung der Einlagensicherung, sowie der Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten sowie zur Umsetzung der Basel III Regeln (die Capital Requirement Directive IV – CRD IV) so rasch wie möglich abgeschlossen werden. Eine wechselseitige grenzüberschreitende Einstandspflicht (burden sharing) kommt dabei aus deutscher Sicht nicht in Betracht.

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