‚Ich habe ihm ins Ohr geflüstert‘
Urteil zum Eichmann-Prozess im Haus der Geschichte
Ruth Levy-Berlowitz war Dolmetscherin in einem Prozess, der weltweit für Aufsehen sorgte: das Verfahren gegen Adolf Eichmann, den Leiter des „Judenreferats“ IV B 4 im Reichssicherheitshauptamt der SS. Sie dolmetschte simultan und übersetzte schriftlich das Urteil ins Deutsche. Am 15. Dezember 1961 las sie dem Angeklagten auch das vom Gericht gefällte Todesurteil wegen „Verbrechens gegen die Menschheit“ und anderer Anklagepunkte vor. In der Nacht vom 31. Mai auf den 1. Juni 1962 – vor 50 Jahren – wurde es vollstreckt.
Ruth Levy-Berlowitz übergibt jetzt ihr hebräisches und deutsches Exemplar des Urteils an die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Die gebürtige Dresdenerin stammt aus einer jüdischen Familie, die 1936 nach Palästina emigrierte. Frau Levy-Berlowitz selbst verlor zwei Tanten, die nicht mehr rechtzeitig fliehen konnten, im Konzentrationslager Majdanek.
Als sie gebeten wurde, im Prozess gegen einen der Organisatoren des nationalsozialistischen Völkermords an den europäischen Juden zu dolmetschen, bat sie zunächst um Bedenkzeit. Sie ließ sich Akten und Berichte über den SS-Obersturmbannführer kommen. „Eine Woche habe ich mit Eichmann gelebt, gegessen, geatmet“, berichtete sie in einem Interview. Dann entschloss sie sich, trotz aller Bedenken im Prozess zu dolmetschen.
Das Haus der Geschichte stellt die beiden Fassungen des Urteils in der Reihe „Das aktuelle Objekt“ zunächst im Informationszentrum aus. Zur Übergabe der Dokumente und zu einem Pressegespräch mit Frau Levy-Berlowitz laden wir herzlich ein.
Übergabe des Urteils aus dem Eichmann-Prozess
Pressegespräch: Freitag, 25. Mai 2012, 11.30 Uhr
Haus der Geschichte, Bonn
Bitte melden Sie sich an, wenn Sie zum Pressegespräch kommen wollen unter hoffmann(at)hdg.de
Interessierte Gäste melden sich bitte an bei strassberger(at)hdg.de
Wir bitten um Verständnis, dass Frau Levy-Berlowitz aufgrund ihres Alters für journalistische Berichterstattung nur in zeitlich begrenztem Maß zur Verfügung stehen kann.
Kurzvita Ruth Levy-Berlowitz
Dolmetscherin, seit 1952 wohnhaft in Israel
geboren am 13. September 1925 in Dresden
– aufgewachsen in Dresden
– 1936: Emigration nach Palästina
– zwei ihrer Tanten sterben im KZ Majdanek, eine Cousine überlebt den Holocaust in Berlin
– absolviert in Haifa an einer englischen Schule die Londoner Matriculation
– 1947: Studium in England
– einige Monate in Paris, um ihr Französisch zu verbessern
– ein Jahr in Italien, kleine Tätigkeit in der israelischen diplomatischen Mission
– Dolmetscherschule der Genfer Universität, 1952: Diplom (Englisch, Französisch, Spanisch)
– 1952–1956: Presseübersetzerin und -analystin bei der US-Botschaft in Israel
Prozess gegen Adolf Eichmann:
– April/Mai 1961: Simultandolmetscherin ins Deutsche (für den Angeklagten, die Verteidigung, deutsche Journalisten und Prozessbeobachter)
– Übersetzerin des Urteils aus dem Hebräischen ins Deutsche
– Dezember 1961: Simultandolmetscherin ins Deutsche bei der Verlesung des Urteils
– Simultandolmetscherin ins Deutsche in den folgenden Verhandlungen vor dem Berufungsgericht bis zur Bestätigung des Todesurteils am 29. Mai 1962
– 1987: Dolmetscherin im ersten Prozess gegen John Demjanjuk (Übersetzung ins Englische)
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Peter Hoffmann
Pressereferent
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