Zwei Jahre schwarz-gelbe Verkehrspolitik: Altes Denken – statt kluge Konzepte für Umwelt und Menschen
Berlin, 28. Oktober 2011. Während die Bundesregierung mit dem Atomausstieg die notwendige Abkehr von der Kernenergie – zwar langsam aber unumkehrbar – vorgenommen und damit Handlungsfähigkeit gezeigt hat, brachte sie in den vergangenen zwei Jahren in der Verkehrspolitik nur unsorgfältig bearbeitete Entwürfe zustande. Zur Halbzeit der Legislaturperiode wurden noch nicht einmal die im Koalitionsvertrag vereinbarten Aufgaben angegangen, wie zum Beispiel die nachhaltige Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehr.
Bei der Infrastrukturfinanzierung fiel Verkehrsminister Ramsauer nichts Besseres ein, als immer wieder die Pkw-Autobahnmaut in Form einer allgemeinen Gebühr (Vignette) aus der Mottenkiste zu holen. Eine solche Maut wäre jedoch extrem unsozial und ohne positive Umweltwirkung, denn alle Autofahrer würden mit einer Gebühr – gleichgültig wie viel sie fahren – belasten.
Beim Thema Gigaliner versucht Dr. Peter Ramsauer, trotz früherer eindeutiger Beschlüsse der Verkehrsministerkonferenz, den Gigaliner auf die Straße zu bringen. Aktuell ist völlig unklar, wie es hier weitergeht. Der angekündigte Feldversuch ist verfassungsrechtlich und inhaltlich nach wie vor umstritten. Riesen-LKWs führen zu einer umgekehrten Verkehrsverlagerung zurück auf die Straße. Im Gegensatz dazu spielt die Förderung des Schienenverkehrs keine Rolle. “Die Bundesregierung verharrt in altem Denken”, so Michael Ziesak, VCD-Bundesvorsitzender.
Einer der Höhepunkte der Pleiten-Pech und Pannenserie war in diesem Jahr die Einführung von E10. Die Bundesregierung verschlief völlig die notwendige Informationspolitik. Bis heute fürchten Autofahrer Motorschäden und internationale Studien bezweifeln zunehmend die ökologische und soziale Verantwortbarkeit der energetischen Nutzung von Biomasse. Auf einem Benzingipfel gelobten Autoindustrie und Ölmultis zwar weiterhin Unterstützung der Bundesregierung handelten aber nicht.
“Es ist unverantwortlich, wie wenig die Bundesregierung ökologische und soziale Aspekte bei der Biomassenutzung geklärt hat und es ist peinlich, wie sich die Politik von der Industrie vorführen lässt”, so Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des VCD. Ein trauriges Beispiel für die Industriehörigkeit der Bundesregierung ist zudem das in diesem Jahr beschlossene CO2-Label für Pkw. Die Berechnungsformel für das Label wurde in abgeschotteten Verhandlungen von Autoindustrie und Bundeswirtschaftsministerium entwickelt. Fazit: Das Label, das im Dezember 2011 eingeführt wird, bevorzugt eindeutig schwere Luxuslimousinen.
In der Verkehrspolitik hat die Bundesregierung keine Akzente gesetzt, zur Halbzeit der Legislaturperiode liegen keine Perspektiven für die Zukunft vor. Der VCD-Bundesvorsitzende Michael Ziesak fordert: “Wir brauchen ganzheitliche Konzepte, die zu einer deutlichen CO2-Einsparung führen. Es muss mehr als nur um das Anwerfen der Betonmischer für den Straßenneubau gehen, mehr als nur um die Entwicklung von Elektroautos. Klimaschutz und die Herausforderung des demografischen Wandels müssen zu einer Verkehrswende führen, die allen Bürgern qualitativ hochwertige Mobilität bei sinkender Verkehrsleistung sichert.”
Für die zweite Hälfte der Amtszeit von Schwarz-Gelb wünscht sich der VCD, dass die Regierung als ehrlicher Anwalt des Klimaschutzes handelt und z.B. bei den anstehenden Verhandlungen zum CO2-Grenzwert in Brüssel nicht als Lautsprecher der Automobilindustrie fungiert.
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